Ist es Ihnen während eines Fluges schon einmal aufgefallen, dass Tomatensaft sehr häufig bestellt wird? Hier in großer Höhe ist der rote Gemüsesaft äußerst beliebt. Nur warum ist dem so? Möglicherweise liegt diese Tatsache dem sogenannten Domino-Effekt zugrunde, da es eben alle so halten. Vielleicht dient der rote Saft auch als Ersatz für ungesunde Snacks, weil er einen hohen Nährwert besitzt. Bisher galt dieses Phänomen hoch über den Wolken als ein Rätsel. Doch die Zahlen bestätigen es. Die Lufthansa beispielsweise musste in den vergangenen Jahren mehrere Millionen Liter Tomatensaft bereitstellen. An alkoholischen Getränken wie zum Beispiel Bier waren es gerade mal knapp zwei Millionen Liter, die ausgeschenkt wurden. Für die Flugbegleiter und Flugbegleiterinnen ist der Satz „Hätten Sie den Saft gern mit Pfeffer oder Salz“ schon fast Routine. Dann reichen sie die cremige Flüssigkeit samt Besteck zum Umrühren und Serviette in Plastikbechern. Die Fluggäste scheinen zufrieden. Andererseits sind jedoch nicht alle Geschmäcker gleichermaßen davon betroffen. Dadurch zeigen sich zum Teil große Ungleichheiten ähnlich wie beim Tomatensaft. Die Wahrnehmungsschwelle für andere Aromastoffe wie beispielsweise Säuren bleibt fast gleich. Aus diesem Grund sind im Flugzeug auch Speisen auf Zitronen- oder Weißweinbasis nicht sonderlich beliebt.
Am Boden unbeliebt, über den Wolken heiß begehrt
Sowohl die Passagiere als auch die Luftfahrtbranche sind über dieses Mysterium sehr verwundert. Dem jährlichen Umsatz in der Tomatensaftindustrie kommt er jedoch zugute. Denn ganz anders als hoch oben im Flugzeug ist der Tomatensaft nicht gerade beliebt, besondere Gaumenfreuden können Sie von ihm nicht erwarten. Der Saft des Nachtschattengewächses gilt im Geschmack allgemein als muffelig, weder fruchtig noch erfrischend. In großen Höhen allerdings scheint er einen süßen und kühlenden Geschmack zu entwickeln. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, hat die Lufthansa kürzlich einen Geschmackstest ihrer Bordmahlzeiten durchführen lassen. Dabei wurden Testpersonen in eine sogenannte Niederdruckkammer eingeschlossen. Diese simuliert die Bedingungen in der Flughöhe. Hier wurden nun die Tomatensäfte verkostet.
Die Lösung des Rätsels um die Beliebtheit des Tomatensaftes im Flugzeug
Die Lösung des Rätsels ist gefunden. In der Versuchsreihe wurde ein eindeutiges Ergebnis geliefert, das ganz banal auf biologischen und physikalischen Tatsachen beruht. Und hier kommt jetzt der Luftdruck ins Spiel, der in Reiseflughöhe um einiges niedriger ist als am Boden. Dieser Umstand bewirkt, dass die Geschmacks- und Geruchsschwelle ansteigt. Gewürze, Salz, Kräuter und Zucker werden erst in höherer Dosierung wahrgenommen, ähnlich wie bei einem Schnupfen. Das bezieht sich sowohl auf den Geschmacks- als auch auf den Geruchssinn. Beim Schmecken von Salz beispielsweise verringert sich die Wahrnehmungsfähigkeit auf etwa 30 Prozent, beim Zucker werden rund 20 Prozent weniger geschmeckt. Im Bereich der fruchtigen Aromastoffe bleibt die Geruchs- und Geschmackswahrnehmung weitgehend stabil. Das Rätsel der Beliebtheit von Tomatensaft im Flugzeug scheint demnach also gelöst zu sein. Die Passagiere entwickeln hier eine andere Geschmackswahrnehmung als üblicherweise am Boden.
Die neue Geschmacksvielfalt über den Wolken
Da ist es also, das besondere Geschmackserlebnis des Tomatensaftes in der Luft, wo er doch ansonsten so langweilig und auch etwas bitter schmeckt. In weiteren Testreihen wurde auch herausgefunden, dass die am Boden beliebten Getränke wie Kaffee oder Wein im Flugzeug eher verschmäht werden. Interessanterweise schmeckt auch gerade das, was am Boden perfekt zubereitet wurde – inklusive des Tomatensaftes – in Reiseflughöhe eher etwas fade. Daher müssen auch die Köche der Fluggesellschaften sich auf die geschmacklichen Auswirkungen in der Höhe einstellen und dies beim Zubereiten der Bordspeisen berücksichtigen. Einer Studie zufolge sei es sinnvoll, die unterschiedlichen Verhältnisse am Boden und in Flughöhe in Zahlen aufs Papier zu bringen. Dabei werden die Erkenntnisse zu Zucker, Salz und Säure eins zu eins in die Rezepte übernommen. Viele Airlines nutzen diesen Umstand zum Leidwesen der Passagiere oftmals als Ausrede für weniger schmackhafte Bordspeisen, die meist in einer Aluverpackung gereicht werden. So dienen diese neuen Erkenntnisse über die unterschiedlichen Geschmackswahrnehmungen bei niedrigem Luftdruck schon als Entschuldigung. Doch auch die erhöhte Wahrnehmungsschwelle vermag es wohl nicht, einfach schlecht zubereitete Speisen als schmackhaft darzustellen.
Fazit
Der Druck in der Flugzeugkabine wirkt sich also auf Ihren Geschmackssinn aus. Das Ergebnis ist eindeutig. Der veränderte Kabinendruck sowie die trockenere Luft an Bord mindern den Geschmackssinn. Die Fluggäste nehmen den Geschmack von Getränken und Speisen so wahr, als litten sie an einer Erkältung mit verstopfter Nase. Zucker und Salz schmecken hier nicht so intensiv wie am Boden. Im Gegensatz dazu können Sie Aromastoffe wie beispielsweise Fruchtiges im Flugzeug intensiver schmecken, wobei sich die Auswirkungen ab einer Flughöhe von rund 10.000 Metern zeigen. Letztlich kann jedoch auch ein gewisser Nachahmereffekt entstehen, wenn Sie sehen, wie ihr Sitznachbar einen Tomatensaft bestellt und ihn dann scheinbar in vollen Zügen genießt. In jedem Fall jedoch ist Tomatensaft äußerst gesund und nahrhaft. Auf diese Weise können Sie den kleinen Snack im Flugzeug mit ruhigem Gewissen ersetzen – und natürlich genießen, denn so werden Sie den Tomatensaft am Boden nicht wieder erleben.